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Karlspreis für leidenschaftlichen Europäer

Quelle: Bild von Thomas Wolter auf Pixabay

Der frühere luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker erhielt im Jahr 2006 den Internationalen Karlspreis. Damit wird der Politiker für seine Verdienste um die europäische Einigung gewürdigt, so das Karlspreisdirektorium in Aachen. Dennoch überraschte die Entscheidung wohl die wenigsten - schließlich wurde der Luxemburger schon länger als Kandidat für die Auszeichnung gehandelt.

Der Aachener Oberbürgermeister Jürgen Linden bezeichnete Juncker als "Vordenker des vereinten Europas der Zukunft", der Europa aus seiner tiefsten und schwersten Krise seit den sechziger Jahren herausholen könne. Das Karlspreisdirektorium würdigte den Luxemburger als "Motor und entscheidenden Akteur bei nahezu allen Integrationsfortschritten der vergangenen zwei Jahrzehnte" sowie als "Vermittler, Mediator und Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen Mitgliedern der Gemeinschaft".

Sohn eines Stahlarbeiters

Juncker wurde am 9. Dezember 1954 als Sohn eines Stahlarbeiters in Rédange-sur-Attert geboren. Der promovierte - aber nie praktizierende Jurist - ist seit 1974 politisch aktiv. "Nie wieder Krieg" ist die politische Maxime des Europäers aus Leidenschaft, der von Deutschland und Frankreich gerne als "unsere großen Nachbarn im Osten und Westen" spricht. Seine politische Karriere begann im Alter von 28 Jahren als Staatssekretär für Arbeit und Soziales unter damaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Pierre Werner. Nur zwei Jahre später wurde er ins Parlament gewählt und übernahm die Leitung des Arbeitsministeriums. 1989 stieg Juncker als Finanz- und Arbeitsminister zum "zweiten Mann" hinter dem damaligen Regierungschef Jacques Santer auf, den er 1995 schließlich beerbte.

Europäische Verdienste

Trotz seiner erst 51 Jahre war Juncker der dienstälteste Regierungschef der EU und gilt als ausgewiesener Krisenmanager. Internationale Beachtung fand er besonders während des EU-Gipfels 1996, als der dem Stabilitäts- und Wachstumspakt mit zum Durchbruch verhalf. Im März 2005 setzte er als Vorsitzender des EU-Ministerrates die von Deutschland und Frankreich geforderte Lockerung des Stabilitätspaktes durch. Auch die EU-Osterweiterung sowie der Verfassungsvertrag wurden von ihm wesentlich mitgetragen.

Sowohl in der Bevölkerung als auch der Presse gilt der Regierungschef des Großherzogtums als charmant und weltoffen. In seiner Amtszeit hat Juncker das kultiviert, was seine Vorgänger bereits begonnen haben - die Balance zwischen den beiden großen Nachbarn Deutschland und Frankreich. Im Gegensatz zu seinen europäischen Amtskollegen kann er - unverdächtig irgendwelcher Dominanzbestrebungen - Kompromisse vorschlagen, die sonst wohl abgelehnt worden wären, kämen sie aus Berlin, Paris oder London. Mit seiner Mischung aus Beharrlichkeit und Charme ist Luxemburg jedenfalls bislang gut gefahren - ist es derzeit doch eines doch das wohlhabendste Land in der EU.

 Im Juli 2012 kündigte Juncker an, das Amt des Premierministers von Luxemburg Anfang 2013 niederzulegen. Im Juli 2014 wurde er zum neuen Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt. Seine Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission endete am 31. Oktober 2019.

Kurzinfo: Der Internationale Karlspreis

Seit 1950 wird der "Internationale Karlspreis zu Aachen" alljährlich am Himmelfahrtstag für die beste Leistung im Dienst der Verständigung und der internationalen Zusammenarbeit in Europa verliehen. Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer Medaille, die an einem Band in den Aachener Stadtfarben schwarz-gelb getragen wird. Zudem ist er mit 5.000 Euro dotiert. Nach dem Willen der Stifter kann der Preis nur in Aachen überreicht werden. Der erstmals an den Papst verliehene außerordentliche Karlspreis soll eine Ausnahme bleiben. Seit dem Jahr 2008 wird auch der Europäische Karlspreis für die Jugend verliehen.

Benannt ist die Auszeichnung nach Kaiser Karl dem Großen (768-814), der vielen als Vorbild der europäischen Einigung und Begründer der kulturellen Blüte des "alten" Europa gilt. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem die Politiker Konrad Adenauer, Winston Churchill, Robert Schuman, König Juan Carlos I. von Spanien und Bill Clinton. 1986 wurde mit dem Volk von Luxemburg ein eher ungewöhnlicher Preisträger auserkoren, ebenso 2002 mit dem Euro. 2023 wurden der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie das Volk der Ukraine mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Im Jahr 2024 wird Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner (CER) und die jüdischen Gemeinschaften in Europa mit dem Preis ausgezeichnet.

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